Ich bin die Andere
FBW-Pressetext
Eine mehrbödige Überraschung hält Margarethe von Trotta mit diesem Film bereit. Auch sie wird eine „Andere“ mit dieser sorgfältigen und gleichzeitig leichtfüßigen Regiearbeit, denn sie betritt neuen Grund, bürstet listig und ganz souverän gegen den Strich, was „man“ sich so an Erwartungen an sie als Filmemacherin angewöhnt hat. Der filmische Befreiungsschlag wartet zudem mit einer exquisiten Kamera und mit schauspielerischen Kabinettstückchen auf.Filminfos
Kategorie: | Arthouse |
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Gattung: | Melodram |
Regie: | Margarethe von Trotta |
Darsteller: | Katja Riemann; August Diehl |
Drehbuch: | Pea Fröhlich; Peter Märthesheimer |
Länge: | 104 Minuten |
Kinostart: | 05.10.2006 |
Verleih: | Concorde |
Produktion: | Clasart Film + TV Produktions GmbH, Clasart Film + TV Produktion |
FSK: | 12 |
Jury-Begründung
Dies ist ein Film, der gleich mehrere Überraschungen birgt. Die größte Überraschung dabei ist eine unerwartete, nämlich ein so ganz „anderer“ Trotta–Film. Eine vielfach preisgekrönte Regisseurin mit einem reichen Werk unternimmt hier etwas Neues, bricht aus, betritt neuen filmischen Grund und bürstet listig gegen den Strich, was die Erwartungen an sie sind.Aus ihrem bisherigen Oeuvre vertraute und der Filmemacherin Margarethe von Trotta gleichsam zugeschriebene Themen und Motive (denken wir an „Schwestern“, „Die bleierne Zeit“ oder „Heller Wahn“) sind hier zwar nicht ausradiert, begegnen uns aber in anderen Gewändern, in interessanten Verfremdungen oder radikalen Verkürzungen, gar Umkehrungen. Die vom 2004 verstorbenen legendären Filmautor Peter Märthesheimer hinterlassene Vorlage bietet der Regisseurin Margarethe von Trotta die adäquate Klaviatur für eine filmische Gratwanderung um Liebe, Abhängigkeit, sexuelle Obsession und makabere Verwirrungen. Im Zentrum steht eine multiple weibliche Persönlichkeit, kontrastierend in drei Phantomen. Diese narrative Grundstruktur ermöglicht gleich mehrere, in sich jeweils stimmige Lesarten des Films. Etwa die einer Hommage an das künstlerische Universum eines Gustav Klimt. Die weiblichen Geschöpfe in „Ich bin die Andere“ wirken wie von ihm skizziert.
Zum anderen bietet sich auch die Lesart eines antibourgeoisen Horrorfilms. Dieses Gruselkabinett gibt mal eindeutige, dann wieder versteckte Hinweise auf David Lynch, auf den großen Mystifikator Alfred Hitchcock oder die schillernden Heroinen eines Joseph von Sternberg – am transparentesten sicherlich „Morocco“.
Einen sehr eigenen Ton findet die Regisseurin aber auch in ihrem Beschwören von Motiven der deutschen literarischen Romantik, von E. T. A. Hoffmann bis Chamisso. Die Figur des Robert Fabry wirkt zum Beispiel wie ein moderner Peter Schlemihl, die Identitätswechsel und Doppelgängerphänomene des „Gespenster–Hoffmann“ nun als filmische Wiedergänge, der Verkauf der Seele oder des Schattens als warnendes Urbild.
Das filmische Spiel Margarethe von Trottas sowohl mit den Topoi des eigenen Werkes als auch mit anderen tradierten Leitmotiven gerät nie zum befremdlichen Vexierspiel, sondern findet sich aufgehoben in einer souveränen Gesamtkomposition, ausgeführt mit großer Leichtigkeit. Ein Film nicht ohne Irritationen, aber stets von anregender Impression. Und dann gibt es da schauspielerische Kabinettstückchen von Rang, von einer unkonventionellen Regisseurin zu einem Reigen sinnlicher Performance zusammengeführt.