Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Martin Scorsese gelingt hier das Kunststück, zugleich eine Abenteuergeschichte für Kinder zu erzählen und eine grandiose Hommage an den Filmpionier George Méliès zu schaffen. Sein Titelheld Hugo Cabret ist wie aus einem Roman von Charles Dickens entsprungen. Doch statt im London des späten 19. Jahrhunderts muss er sich im Paris der 30er Jahre durchkämpfen. Als Waise lebt er in den geheimen Gängen und Stiegen eines Bahnhofs und hat dort die Aufgabe, die vielen Uhren aufzuziehen. Er hat diesen Job von seinem zuerst ständig betrunkenen Onkel geerbt, und da er nicht für diese Arbeit bezahlt wird, muss er sich wohl oder übel von gestohlenen Croissants ernähern. Doch er stibitzt auch Zahnräder und andere kleine mechanische Teile, um einen „automatischen“ Menschen zu reparieren, den ihm sein Vater hinterlassen hat. Dabei wird er von dem Spielzeugreparateur George Méliès erwischt, der ihm das Notizbuch seines geliebten Vaters wegnimmt. Hugo muss sich nun nicht nur vor dem überall lauernden Stationsvorsteher in acht nehmen, der allzu gerne heimatlose Kinder einsperrt und in ein Waisenhaus verfrachtet, sondern er versucht auch alles, um von dem verbitterten Herrn Méliès das Notizbuch wiederzubekommen. Dabei wird dessen Stieftochter Isabelle zu seiner Verbündeten, und die beiden finden nach einer spannenden Recherche heraus, dass George Méliès der (heute) berühmte, zu seiner Zeit aber fast vollständig vergessene Filmpionier ist. Im zweiten Teil wird der Film zu einer liebevoll inszenierten Liebeserklärung an diesen ersten Erzähler von fantastischen Kinogeschichten. Scorsese zeigt in Sequenzen von Rückblenden einige seiner Werke und die Reaktionen der Zuschauer auf den allerersten Film überhaupt mit dem einfahrenden Zug, inszeniert von den Gebrüdern Lumière. Vor allem zeigt er aber auch, wie Méliès gearbeitet hat, wie er sein gläsernes Studio aufbaute und wie er darin große fantastische Tableaus inszenierte. Eine der Ironien des Films besteht darin, dass Scorsese diese älteste erzählerische Filmkunst mit den neuesten filmischen Mitteln feiert. In seinem ersten 3-D-Film meistert er diese Technik wie kaum einer vor ihm. Die 3-D-Effekte werden von Scorsese nie ausgestellt, stattdessen ist die Raumwirkung immer natürlich und dadurch umso eindrucksvoller. Durch solche absichtlichen Unsauberkeiten wie die Reflexionen von in der Luft schwebenden Staubpartikeln verstärkt er geschickt diesen natürlich wirkenden räumlichen Effekt. Sehr raffiniert ist auch die Einbettung der filmhistorischen Würdigung von Méliès in die Geschichte von Hugo. Es gibt keine Brüche zwischen den Ebenen, und beide werden gleichermaßen mit einem großartigen visuellen und dramaturgischen Einfallsreichtum gestaltet. Schöner als hier kann man die Magie des Kinos kaum feiern.