Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Er ist zugleich ein großer Musiker und doch wie ein Kind. Diese Diskrepanz ist es, die den australischen Pianisten David Helfgott zu solch einem außergewöhnlichen Menschen macht. Auf beiden Ebenen gelingt es Cosima Lange, ihm mit ihrem Film gerecht zu werden. Im Jahr 2012 ist sie ihm mit ihrer Kamera während seiner Europatournee gefolgt. Von der ersten Einstellung an wird klar, dass sie kein Interesse daran hat, einen „ordentlichen“ Musikfilm oder ein konventionelles Künstlerporträt zu machen. Informationen über die gespielten Musikstücke, die Aufführungsorte oder die Biografie des Künstlers sucht man in HELLO I AM DAVID! vergebens. Stattdessen sammelt die Regisseurin Momente, in denen sich die faszinierende Persönlichkeit von Helfgott offenbart. Dies muss zugleich einfach und sehr schwierig für sie und die Kamerafrau Ute Freund gewesen sein, denn einerseits erlebt David Helfgott jede Situation als ein Abenteuer, in das er sich spontan, agil und mit großer Begeisterung stürzt. Zum anderen ist er dabei so flink und unberechenbar, dass es nicht einfach gewesen sein kann, ihn jeweils im Fokus der Kamera zu behalten. Und wie Helfgott sowohl auf der Bühne wie im Umgang mit anderen Menschen die gängigen Konventionen ignoriert, so bricht er auch die Regeln des dokumentarischen Filmemachens, zu denen es etwa gehört, dass nicht in die Kamera geblickt und meist so getan wird, als wäre das Filmteam gar nicht da. Cosima Wagner ist so klug, solche Sequenzen im Film zu lassen und zeigt damit auch, dass sie sich dem Geist des Cinéma verité verpflichtet fühlt. Freunde und Musiker erzählen davon, wie sie Helfgott und seine Kunst erleben. Und auch hier vermeidet Lange es, Helfgotts schillernde Existenz etwa durch Analysen seines Spielstils oder eine Diagnose seiner Krankheit zu erklären. Ein mit ihm befreundeter Psychiater bringt Langes Methode auf den Punkt, wenn er sagt, dass er sich weigere, in Helfgott einen Kranken zu sehen und zu analysieren - stattdessen bewundere er dessen so radikal andere Art zu leben. Langes Film ist oft sehr unterhaltsam und komisch, wenn sie etwa zeigt, wie schnell sich Helfgott für andere Menschen begeistern kann, wie herzlich er auf sie zugeht (oder besser -springt), mit welcher Freude und Lebensenergie er ganz im Hier und Jetzt lebt. Sie macht deutlich, dass er nur deshalb so ungezügelt und heiter leben kann, weil er mit seiner Frau Gillian einen Menschen gefunden hat, der sein Leben mit einer souveränen Gelassenheit organisiert. So ist Gillian die heimliche Heldin des Films, denn Lange zeigt, mit welcher Liebe und unendlichen Geduld sie über ihren Mann wacht und ihm so die Kraft gibt, sich als Mensch und Künstler so intensiv und frei auszudrücken.