Harry Potter und der Orden des Phönix
FBW-Pressetext
Spannend und anrührend zugleich bietet der fünfte „Harry Potter“-Film bestes britisches Erzählkino, setzt nicht unbedingt die Kenntnis der früheren Filme oder der Bücher voraus und erfüllt gleichwohl die Erwartungen der detailkundigsten Fans aufs Beste. Eine reife, überzeugende Leistung mit ausgefeilten Charakteren, viel Witz, großen Kinobildern und auch ernsthaften und erwachsenen Untertönen. Wer bisher hochnäsig auf Distanz zu Harry Potter war, sollte sich nun selbst ein Bild machen. Es wartet ein visuell aufregendes Universum, es wartet ein anregender Film.Filminfos
Gattung: | Jugendfilm; Spielfilm; Fantasy |
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Regie: | David Yates |
Darsteller: | Daniel Radcliffe; Rupert Grint; Emma Watson |
Drehbuch: | Michael Goldenberg |
Weblinks: | ; filmsortiment.de; |
Länge: | 138 Minuten |
Kinostart: | 12.07.2007 |
Verleih: | Warner |
Produktion: | Warner Bros. Entertainment GmbH, Heyday Films Productions; |
FSK: | 12 |
Bildungseinsatz: | ; |
Jury-Begründung
Die FBW-Jury hat dem Film mit 4:2 Stimmen das Prädikat „Besonders wertvoll“ erteilt.Eine perfekt gemachte, anspruchsvolle Literaturverfilmung, spannend bis zum Finale, die geschickt und mit exzellentem Timing an die vorangegangenen Teile anknüpft. Für Neueinsteiger wichtig: Um sich hier prächtig und anspruchsvoll zu unterhalten, ist es nicht unbedingt notwendig, ein Vorläuferbuch oder die jetzige Romanvorlage (Buch Fünf) gelesen oder die früheren Harry-Potter-Filme gesehen zu haben. Für manchen Harry-Potter-Kenner aber ist dieser Film sogar der beste der Serie, das jedenfalls fanden einige Mitglieder der unabhängigen FBW-Jury.
„Harry Potter und der Orden des Phönix“ setzt die Geschichte des jugendlichen Zauberlehrlings als fünfter Teil fort und ist - wie seine Protagonisten - erwachsener und ernster geworden, ohne an Unterhaltungswert einzubüßen – im Gegenteil. Der Film zieht einen guten Teil seiner Spannung aus der ausgefeilten Zeichnung seiner Charaktere und dies, zum Vergnügen der kleinen und großen Zuschauer, mit einem bis in die Nebenrollen glänzend besetzten britischen Schauspielerensemble. Der mit 138 Minuten überlange Film wirkt kürzer, ist überaus kurzweilig. Die virtuos eingesetzten filmischen Mittel lassen das Werk wie eine geschlossene Einheit erscheinen und sorgen für Hochspannung.
Neben aller perfekten Unterhaltung gibt es in diesem „Harry Potter“ auch deutliche politische Untertöne – bis hin zu einer aktuellen Medienkritik heutiger Medienzaren. „Citizen Kane“ wie auch der „Große Bruder“ aus „1984“ lassen grüßen. Die kritische Anspielung auf die Passivität von Staat, Beamtenapparat und einer kleinbürgerlich lethargischen Gesellschaft gegenüber einem heraufziehenden Unheil, das die ganze Gemeinschaft bedroht, weist deutliche Parallelen auf zur Vor-Dämmerung einer Schreckensherrschaft, wie sie im vergangenen Jahrhundert zum Beispiel in Deutschland beklagt, aber nicht verhindert worden war.
Eindringliche Bilder setzt der Film auch in seinen aktuellen Bezügen zu Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Verschleppung und Überwachungsstaat. Manche Kritiker mögen solche Anspielungen in einem Unterhaltungsfilm „trivial“ finden, eben die gleichen lesen dann gerne aus anderen Filmen „subversive“ Botschaften. Hier verknüpft ein Mainstream-Film auch ernsthafte Themen mit seinem Erzählfluss. Die Botschaft ist nachvollziehbar und eindeutig: Seid wachsam und wehret Euch – rechtzeitig!
Harry fühlt es, Harry ahnt es, untrügliche Vorzeichen signalisieren: Lord Voldemort, der unheimliche Fürst der Dunkelheit, ist in unmittelbarer Nähe, und drohendes Unheil zieht auf. Nur wenige in Harry Potters Umfeld wollen ihm glauben, als er mit seinem Cousin Dudley von eigentlich ins meerumtoste Gefängnis Askaban verbannten todbringenden „Dementoren“ auf offener Straße angegriffen wird. Erwehren kann er sich in höchster Not nur durch einen Patronus-Zauberspruch, den auszuüben den Zauberlehrlingen in der realen Welt und vor allen Dingen vor nichtzaubernden „Muggels“ (Mitmenschen) strengstens verboten ist. Hierfür muss Harry sich dann vor dem „Ministerium für Zauberei“ verantworten, nachdem ihm schon der Schulverweis von Schloss Hogwarts buchstäblich ins Haus geflattert ist.
Nur mit Hilfe der Widerstandsorganisation „Orden des Phönix“ kann Harry Potter knapp einer Verurteilung entgehen. Es stellt sich heraus, dass Zauberminister Fudge die öffentliche Meinung stark beeinflusst und Harry Potter zum Lügner sowie Professor Dumbledore zum unfähigen Schulleiter stempelt. Das „Ministerium für Zauberei“ entsendet in Gestalt der Lehrerin Dolores Umbridge eine Kontrollperson nach Hogwarts, die nicht von ungefähr Inquisitorin heißt und sich auch frank und frei mit dieser Bezeichnung schmückt und alsbald auch Professor Dumbledore als Schulleiter ablöst. Ziel der Inquisitorin und des Beamtenapparats ist es, mehr die Theorie als die Praxis der Zauberei zu lehren und strengere Maßstäbe für die Benotung der Schüllerleistungen durchzusetzen.
Es scheint, als habe sich die dunkle Macht „Desjenigen, den man nicht beim Namen nennen darf“ schon die öffentliche Meinung und auch die Zauberei-Politiker und -Beamten des Ministeriums zu Willen gemacht, um die Zauberschule Hogwarts und ihre Zöglinge unvorbereitet überraschen und angreifen zu können. Harry und seine Mitstreiter durchschauen den Plan und schließen sich heimlich und unter ausdrücklichem Verbot der Inquisitorin zu einem Geheimbund zusammen. Unter der Leitung Harry Potters üben sie die Selbstverteidigung mit Zaubersprüchen. Dabei wächst eine verschworene Gemeinschaft heran.
Harry Potter scheint (unbewusst) etwas zu haben, was Voldemort unbedingt in seinen Besitz bringen will, koste es, was es wolle. Noch nicht offengelegt sind auch nach Ende des Films die Gründe für das Zerwürfnis ganzer Familienclans. Aber die Andeutungen über den „Wahn vom reinen Blut“, dem Potters Patenonkel Sirius Black seinen Ausschluss aus der Familie zu verdanken hat, legen eine blutige Spur zu einem Denken, das frappierend an die arischen Rassengesetze der Nazis erinnert. Wer hier nicht auf die Fortsetzung und Auflösung im sechsten Teil gespannt ist, mag politisch vielleicht weniger interessiert sein.
Spannend und anrührend zugleich bietet der fünfte „Harry-Potter“-Film bestes britisches Erzählkino. Eindrucksvoll wird hier der Gegenbeweis dafür angetreten, dass filmische Fortsetzungen von Folge zu Folge an Qualität verlieren und sich immer weiter von der Buchvorlage entfernen – das Gegenteil ist der Fall. Die Geschichte des heranwachsenden Zauberlehrlings wird weitergeschrieben, und neue Elemente kommen hinzu. Harry Potters Geschichte ereignet sich in einem komplexen Kosmos. Das ist nicht nur Eskapismus und Fantasy, auch Gegenwart und Politik sind eingebunden. Zu Anfang etwa gibt es deutliche Bezüge zur Klimaerwärmung.
Achtung gebietet angesichts der überbordenden literarischen Buchvorlage auch die Drehbuchleistung, die klug bündelt und fokussiert, ohne Duktus und Geist der Vorlage zu verengen. Eindrucksvoll zieht der Film alle Register der Kinematographie, ist technisch „state of the art“. Viele liebevolle Details halten die überbordenden Filmsets bereit, etwa die große Galerie voller „lebender“ Porträts oder das von der Inquisitorin umgestaltete Schulbüro mit den miauenden Katzen auf den Porzellantellern. Manche der atemberaubenden Bilder erinnern in ihren teils surrealen Ausgestaltungen auch an Dalí, Buñuel und Escher.
Es gibt atemberaubende Kamerafahrten und perfekte Tricktechnik, mit der sich ganze Hausfassaden bewegen lassen. (Hierbei übrigens wird „Monty Python“ mit „Der Sinn des Lebens“ zitiert, um ein augenzwinkerndes Beispiel von vielen zu nennen). Unter höchst kreativer Verwendung von Licht und Schatten gelingen dem Film opulente Bilder, die für allerlei Akademieauszeichnungen gut sein sollten.
Frappierend sind die Landschaftstotalen: Immer wieder gibt es große, wie gemalt erscheinende Kino-Bilder. Ein schöner und verblüffender Aspekt sind die „lebenden Fotos“, die wie nebenbei den Film durchziehen und besonders in den Zeitungssequenzen visuell atemberaubende Wirkung entfalten. (England muss ein Problem mit seiner Presse haben - das nebenbei.)
Die Zauberlehrlinge gehen mit ihren Zauberstäben inzwischen so virtuos um, wie die Jedi-Ritter weiland mit ihren Laserschwertern in „Star Wars“. Trotzdem sehen wir hier keinen oberflächlichen Actionfilm, sondern auch eine menschlich anrührende Studie, die den behutsamen, fast zögerlichen Umgang heranwachsender Jugendlicher untereinander bei ersten zärtlichen Kontakten beobachtet, ohne dabei voyeuristisch zu sein.
Harry Potter wird von Selbstzweifeln geplagt, wie sie bei pubertierenden Jugendlichen selbstverständlich sind, aber auch von dunklen Visionen darüber, ob ihn mit dem Fürsten der Dunkelheit – mit seiner dunklen Seite sozusagen - nicht mehr verbindet, als allen Beteiligten lieb sein kann. Durch diesen Bruch entsteht ein Tableau von merkwürdiger, ja verstörender Atmosphäre einerseits und dem differenziert „strahlenden“ Helden anderseits, der von seinen Mitschülern zum Ausbilder gewählt, ja hingedrängt werden muss. Harry Potter selbst vermag sich nicht als Held sehen, sondern begreift sich als Magnet, der das Unheil anzieht und für seine Mitschüler eher eine Gefahr denn eine Hilfe darstellt. Seine Mitschüler überzeugen ihn, dass sein unschätzbarer Vorteil darin besteht, dass er im Gegensatz zu Voldemort nicht allein ist, dass er echte Freunde statt unterwürfiger Untergebener an seiner Seite hat.
Aus dieser Gegenüberstellung bestehen Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Gesehenen, das die Zuschauer in eine Geschichte hineinzieht, von der sie eigentlich zu wissen glauben, es handele sich doch nur um einen (Fantasy-)Film. Zu spät. Wer sich selbst angesichts einer derart vereinnahmenden Geschichte versichern muss, es handelt sich doch nur um einen Film, der hat sich dem Stoff hingegeben. Auch die noch folgenden Filme bis zum Finale des Gesamtwerks werden infizierte Potter-Fans oder die nun überzeugten Skeptiker bis zum endgültigen Showdown wohl kaum mehr missen mögen.
Wer bis hierher das Vorstehende nachvollziehen kann, weiß um die Bedeutung von „Pottermania“, die sich hierzulande die „Stiftung Lesen“ zu Recht zu nutze und eine begründete Werbung für Buch und Kino macht. In seinem gesellschaftlich-kulturellen Gewicht steht dieser Film mit seinen Vorläufern in einer Reihe mit dem Kult etwa um die Beatles in den Sechziger Jahren oder einer Fußballweltmeisterschaft wie im vergangenen Jahr. Nur dass die Begeisterung hier junge Menschen scharenweise zum Lesen bringt. Die Ankunft des letzten Potter-Bandes der Buchreihe im Juli 2007 (englische Ausgabe) und im Oktober 2007 (deutsche Übersetzung) wird diese These erneut eindrucksvoll bestätigen: mit mitternächtlichen Käuferschlangen quer durch alle Alters- und Sozialschichten vor den Buchläden.
Vielfältig variiert und traumhaft schön sind auch die Filmmusiksequenzen, die stimmig mit den Bildern verschmelzen und dabei durch dezente Zurückhaltung glänzen. Sie begründen ein Werk wie aus einem Guss. Bemerkenswert etwa, wenn zum Beispiel der bekannte „Harry Potter“-Jingle aus den vorangegangen Teilen nur in wenigen Takten angespielt wird und man als Zuschauer glaubt, den vollständigen Refrain zu hören, obgleich dieser nur angedeutet und gar nicht bis Ende ausgespielt wird. Das ist die Kunst des kinematographischen Minimalismus, gezaubert aus der Magie des Kinos, die voraussetzt, dass sich der Film auch in unseren Köpfen und unserer kollektiven Seele abspielt, als tatsächlich nur auf der Leinwand und im Kinosaal. Genährt werden diese warmherzigen, bisweilen rührenden Gefühle - ohne dem Kitsch anheim zu fallen - vom gelegentlichen Lachen und Glucksen der Zuschauer im Saal. Dies war auch so bei der Sichtung der FBW-Jury, denn „Harry Potter und der Orden des Phoenix“ ist beileibe kein dunkler Horrorfilm, wie das zuvor Gesagte vielleicht nahe legen könnte, sondern tiefgründiges, vielschichtiges Unterhaltungskino mit Humor und sprühendem Dialogwitz. Es fehlen auch Angst machende, körperlich dargestellte Ungeheuer wie in den früheren Potter-Verfilmungen. Zu empfehlen ist dieser Film nicht nur für eingefleischten Potter-Fans, sondern durchaus für die ganze Familie.
Als Jurymitglieder haben mitgewirkt:
Fred Gehler, Christian Berg, Barbara Fischer-Rittmeyer, Prof. Dr. Bernd Schmidt, Dr. Volker Behrens, Harald Metz
Wiesbaden, den 27. Juni 2007
Im Entwurf gezeichnet: Für die Richtigkeit:
Harald Metz Alf Mayer
Vorsitz Verwaltungsdirektor