Filmplakat: Eroica

FBW-Pressetext

Die Eroica, Ludwig van Beethovens 3. Sinfonie, bedeutete zu ihrer Zeit einen Bruch mit den gebräuchlichen Klangerscheinungen. Ebenso wagte sich Hugo Niebeling, einer der bedeutendsten Regisseure für Musik- und Ballettfilm, 1971 an eine filmisch ungewöhnliche Form der Konzertinszenierung der Berliner Philharmoniker und ihres virtuosen Dirigenten Herbert von Karajan. Drei keilartig aufragende Blöcke mit den Musikern symbolisieren Dreiklang und Dreiklangbrechungen. In der soeben wiederhergestellten Schnittversion seines Schwarzweißfilms verstärkt sich der revolutionäre Einsatz der Licht- und Schatteneffekte, das Spiel von Schärfe und Unschärfe, schnellen Schnittfolgen und zahlreichen Kameraperspektiven. Besonders gelungen sind hierbei die Nahaufnahmen der Instrumente und der Hände der Musiker, die ihnen diese grandiosen Klänge entlocken. Darüber hinaus veranschaulicht dieses höchst interessante Zeitdokument die Rolle des energetischen Dirigenten und seines Zusammenspiels mit dem Orchester. Ein expressionistisches Kunststück, das die Kraft der Musik und die intensive Wirkung von Bildern gleichwertig transportiert.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Musikfilm; Kurzfilm
Regie:Hugo Niebeling
Darsteller:Herbert von Karajan
Drehbuch:Hugo Niebeling
Kamera:Robert Hofer
Schnitt:Hugo Niebeling
Musik:Ludwig van Beethoven
Länge:50 Minuten
Produktion: Unitel

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Ein Meisterwerk der Tonkunst wollte der Regisseur Hugo Niebeling mit Herbert von Karajan in Szene setzen. Nur das Orchester und der große einsame Star unter den Dirigenten. 1968 realisierte er seinen ultimativen Film, in dem er ungewöhnliche Wege der Präsentation beschritt. Der Ursprungsfilm liegt nicht mehr vor. Karajan selbst war von dem Film nicht angetan, er zerstörte den Film. Aufbewahrt wurde nur eine Arbeitskopie im harten Schwarzweiß. Sie schien wie geschaffen für eine Rekonstruktion in einer jetzt vorliegenden Neufassung.

Das Gegenüber von Karajan ist das Orchester. Hoch aufragend wie eine expressionistische, dreifach geteilte Architektur, die Niebelung eigens für den Film entwickelte, um das Orchester wie ein wogendes Meer mit den Streichern rechts und links zeigen zu können. Der mittlere Aufbau ist mit den Bläsern besetzt. Ganz oben zum Abschluss thront das Schlagwerk mit den zwei großen Pauken. Unten auf einem Podest ein faszinierender Karajan. Mit geschlossenen Augen steuert er sein Orchester durch die musikalisch aufwühlende und berührend pathetische Partitur mit seinen Händen und dem Taktstock.

Er ist in einen magischen Lichtraum eingebunden, in dem die Schattenrisse des Orchesters vor ihm wie Ausschnitte aus einer anderen Welt zu kommen scheinen. In der Totalen wirkt Karajan wie ein einsamer Held, der heroisch wie eine Heilsfigur dem Klangkörper gegenüber steht.

Ein hartes Schwarzweiß ruft heroisierende Filme aus den 30er Jahre in Erinnerung, wenn das Orchester, der Partitur entsprechend mit dem jeweiligen musikalischen Haupt- und Nebenlinien, in Großaufnahmen aufgelöst wird. Die Geiger mit ihren wie aufragenden Wellen des Auf und Abs der Anstriche, die Blechinstrumente mit glitzernden wie Sterne funkelnden Reflexen, wenn sie im Unschärfebereich der Bildtiefe schweben. Wichtige Akteure sind die Pauken. Die rasend schnellen Schlegel werden mitunter in winzige Bildsequenzen ihrer Schlagdauer in das Dirigat von Karajan hineingesetzt.

Der Film lebt vom Wechsel des „einseitigen“ Dialogs zwischen Dirigent und der Klangwelt von Eroica, wie sie Karajan erschaffen wollte, auf die das Orchester mit jeder Nuance seiner Bewegungen von Taktstock und Händen reagiert und perfekt umsetzt. Seine glasklare Strukturierung Beethovens Eroica ist ein Genuss für das Ohr, die mit fast 1000 Schnitten des Films präzise Umsetzung der Orchestrierung ein visuell überzeugendes Ereignis.

Der Film ist ein Stück Musikgeschichte und das macht ihn heute als filmisches Kunstwerk für die Jury zu einem bemerkenswerten, historisch wertvollen Schaustück. Der heroisierende Duktus eines durch und durch entrückt erscheinenden Filmstils einer Heldenverehrung entspricht aber nicht im vollen Umfang den Kriterien eines heute herausragenden Beispiels einer Dramaturgie. Aus diesem Grund konnte auch das Gremium, das den Widerspruch zu begutachten hatte, nicht zu einem anderen Ergebnis als das Vorherige kommen. Trotzdem, Hochachtung vor der Leistung von Hugo Niebeling, dass wir durch seinen Film EROICA Herbert von Karajan als Dirigenten auf diese Weise erleben können.