Jury-Begründung
Prädikat wertvoll
Eines der großen Themen vieler Filme in dieser Zeit ist die Altersdemenz. Auch hier geht es um eine alte Frau, die alleine in ihrem Häuschen lebt und offenbar vom Vergessen bedroht ist. Ein junger Mann, Flüchtling aus dem einst vom Krieg zerstörten Bosnien, verdingt sich als Pfleger bei der alten Dame, die seine Hilfe nur widerwillig akzeptiert. Beide sind verstörte Menschen, traumatisiert und verwundet. Die alte Frau wegen ihrer Lebenssituation am Rande des ewigen Vergessens, der junge Mann wegen eines dunklen Geheimnisses, das er nicht verdrängen kann und das sein Leben seit seiner frühen Kindheit überschattet: Für ein Stück Schokolade wurde er im Krieg zum Verräter an seinem Vater, der auf Nimmerwiedersehen verschwand. Zwei verlorene Seelen treffen in EISBLUMEN aufeinander, umkreisen sich zögernd und zunächst ohne große Zuneigung. Ganz behutsam aber entwickelt sich zwischen den beiden ein Vertrauensverhältnis, welches der Film in kleinen, vorsichtigen Szenen widerspiegelt. Beeindruckend ist an dieser Erzählung vom Erinnern und Vergessen, die kein konkretes Ende anbietet, die schauspielerische Leistung vor allem von Renate Grosser als der alten Dame, die immer tiefer in einen Abgrund schauen muss – dem allmählichen Verlöschen ihrer Biografie. Ein wenig störend wirkt allerdings bei der Inszenierung die allzu große Nähe zu den Gesichtern und Schauplätzen, die keine Totalen zulässt, was offensichtlich einer dem Fernsehen geschuldeten Dramaturgie geschuldet ist. Ein bisschen mehr kinogerechte Bildgestaltung hätte dem ansonsten eindringlichen Beziehungsdrama gut getan.