Dreiviertelmond

Kinostart: 13.10.11
2011
Filmplakat: Dreiviertelmond

FBW-Pressetext

Hartmut ist Taxifahrer und ein wortkarger Eigenbrötler. Seine Ehefrau hat ihn gerade verlassen, seine Tochter schaut sporadisch bei ihm vorbei und seine Mitmenschen nerven ihn. Und so reagiert er nicht gerade freundlich, als eine junge Türkin mit ihrer kleinen Tochter Hayat zu ihm ins Taxi steigt. Die kleine Hayat soll solange ihre Mutter arbeitet bei ihrer Großmutter bleiben, die jedoch kurz nach ihrer Ankunft ins Krankenhaus kommt. Die kleine Türkin, die kein Deutsch spricht, ist nun allein und kennt niemanden in der ganzen Stadt. Keiner bemerkt das Kind im Krankenhaus, sie marschiert völlig unbemerkt nach draußen und stößt ausgerechnet auf Hartmut, der sich ihrer zunächst widerwillig annimmt. Eine ungleiche Freundschaft zwischen einem grummeligen Mann und dem aufgeweckten türkischen Mädchen beginnt. Elmar Wepper überzeugt in der Rolle des mürrischen Taxifahrers. Die Dialoge im bunten Sprachmix sind frisch und pfiffig und Hayat erobert die Herzen der Zuschauer im Sturm. Lakonischer Witz und Ironie lockern die rührende Geschichte auf, thematisieren und demontieren Klischees und halten auch unserer Gesellschaft einen liebevollen Spiegel vor. Christian Zübert ist eine zauberhafte Tragikomödie gelungen, die durch ihren Charme Sprachbarrieren einfach vergessen lässt.

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Elmar Wepper spielt hier einen grantigen und wohl auch ein wenig fremdenfeindlichen Taxifahrer, der sich plötzlich um ein kleines türkisches Mädchen kümmern muss. Die Geschichte vom Misanthropen, der durch ein Kind aus seiner existentiellen Vereisung auftaut, wird im Kino immer wieder gerne erzählt. Erst vor kurzem kam "Belgrad Taxi Radio" mit einer fast identischen Geschichte in die Kinos. DREIVIERTELMOND überzeugt dagegen vor allem als eine Charakterstudie mit dem wunderbar natürlich spielenden Elmar Wepper, dem die kleine Mercan Türkoglu allerdings in jeder Szene ebenbürtig ist. Dies ist kein Film über die Problematik von Türken in Deutschland und der Regisseur hat sie vor allem deshalb in diesem Milieu angesiedelt, weil es ihm vertraut ist (seine Frau ist Türkin und hat am Drehbuch mitgearbeitet). Darum sollte etwa die Szene mit dem türkischen Familienvater, der sich mit einem zynischen Spruch weigert, zu helfen, nicht als Kommentar zu den deutsch/türkischen Verhältnissen verallgemeinert werden (diese Position wurde von der Jury diskutiert), sondern als ein kurzer Blick auf einen einzelnen verbitterten Mann gesehen werden - und natürlich als einen wirkungsvollen Teil der Dramaturgie, durch den gezeigt wird, dass Hartmut nicht sofort angesichts des Kindes zu einem besseren Menschen wird. Stattdessen zeigt der Film den Prozess, durch den Hartmut auch gezwungen wird, eine Bilanz seines bisherigen Lebens zu führen. Erst langsam versteht er etwa, warum seine Frau ihn (trotz der mit feinem Humor eingesetzten "Soft-close-Schublade") verlassen hat und seine Tochter hat ja recht, wenn sie sich fragt, warum er sich um dieses fremde Kind mehr kümmert als um seine eigene Familie. All das ist stimmig und mit einer immer spürbaren Liebe des Filmemachers zu seinen Figuren inszeniert. Geschickt wird auch mit den Missverständnissen gearbeitet, die durch die Sprachschwierigkeiten einstehen ("Nazi" für "netter Onkel"). Auch hier spürt man die Vertrautheit der Filmemacher zu dem Milieu, von dem sie erzählen. Vielleicht wird manchmal ein wenig zu vorhersehbar erzählt (Hartmut muss nicht an jeder zweiten Straßenecke beinahe jemanden anfahren, sodass man schon fast ungeduldig darauf wartet, dass der Unfall nun endlich passieren möge). Aber es gibt auch schöne, überraschende Wendungen im Drehbuch (Hartmuts Taxifahrt mit seinem Widersacher) und sowohl die Locations (endlich einmal Nürnberg und nicht immer München), das genau auf den Punkt gecastete Schauspielerensemble, die zugleich diskrete und präzise Kameraarbeit sowie der warmherzige Grundton des Films tragen dazu bei, dass der Film mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet wird.