Die Hände meiner Mutter

Kinostart: 01.12.16
VÖ-Datum: 23.06.17
2016
Filmplakat: Die Hände meiner Mutter

FBW-Pressetext

Markus ist Ende dreißig, glücklich verheiratet, ein geregelter Job, ein gesunder Sohn. Nur das Verhältnis zu seinen Eltern und Geschwistern ist distanziert, man sieht und besucht sich kaum. Warum das so ist, weiß Markus selbst nicht so genau. Als dann aber sein Sohn auf einer Geburtstagsfeier nach einem Toilettenbesuch mit seiner Oma eine kleine Wunde an der Stirn hat, ist es plötzlich, als hätte sich ein Schalter umgelegt. Denn auf einmal erinnert sich Markus. An seine Kindheit. An die nächtlichen Besuche seiner Mutter in seinem Zimmer. Und an das, was seine Mutter dort mit ihm tat. Als Kind hat er das nicht verstanden. Er hat sich nur geschämt und gewusst, dass es falsch ist. Und er hat es verdrängt. Nun, als Erwachsener, muss er sich der Vergangenheit stellen. Markus Frau Monika will ihm helfen, doch weiß nicht wie. Markus Eltern wiederum wollen „von früher“ nichts wissen. Sie verdrängen weiterhin und halten so eine Mauer des Schweigens aufrecht, die sich durch die gesamte Familie zieht. Mit DIE HÄNDE MEINER MUTTER beendet Regisseur und Autor Florian Eichinger seine Filmtrilogie zum Thema Gewalt in der Familie und überzeugt auf allen Ebenen, sowohl formal als auch emotional. Um dem Zuschauer die schockierenden Details des Missbrauchs durch die Mutter zu vermitteln, ohne ihn zu überfordern, wählt Eichinger dabei ein besonderes Stilmittel: Er lässt Markus die Szenen der Erinnerung als sein erwachsenes Ich durchleben. Andreas Döhler leistet hier Großes. Im Hier und Jetzt spielt er gebrochen, verzweifelt, doch mit erwachsener Reife. Doch wenn er in seine Erinnerungen zurückkehrt, dann wandelt sich auch sein Spiel. Naiv wird es, jung, verängstigt, unschuldig. Döhler offenbart in seinem Spiel eine kindliche Seele – und genau dieses Spiel macht dem Zuschauer das Entsetzliche der Tat bewusst. Auch Jessica Schwarz als Monika, Heiko Pinkowski als Gerhard und Katrin Pollitt als Markus Mutter überzeugen in jeder Minute. Der Film urteilt niemals lapidar über die Mutter als Täterin und den Vater als Mitwisser, sondern zeigt, wie schwierig es ist, mit einem solchen Thema umzugehen. Für den Film sind alle Mitglieder der Familie Opfer der Tat, der Umstände, ihres Wesens. Die Dramaturgie des Films ist klar, die Erinnerungen bauen sich organisch in die Handlung ein, die Dialoge sind gestochen scharf, viele Szenen leben jedoch auch von stummen Blickwechseln, von inneren Kämpfen, die ohne Worte auskommen. Die Gespräche mit Therapeuten und der undramatische Umgang mit der Problematik schaffen Authentizität, lassen dabei aber nie die Emotionen auf der Strecke. DIE HÄNDE MEINER MUTTER ist eine überzeugende, beeindruckende und tief bewegende Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema. Ein wichtiger, kluger und reflektierter Film, der Mut machen kann, über solch ein Thema zu reden. Denn das Schlimmste, was man tun kann, ist schweigen.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Florian Eichinger
Darsteller:Andreas Döhler; Jessica Schwarz; Katrin Pollitt; Heiko Pinkowski; Peter Maertens; Sebastian Fräsdorf; Katharina Behrens; Rasmus Dahlstedt
Drehbuch:Florian Eichinger
Kamera:Timo Schwarz
Schnitt:Jan Gerold
Musik:André Feldhaus
Webseite:facebook.com;
Länge:106 Minuten
Kinostart:01.12.2016
VÖ-Datum:23.06.2017
Verleih:Farbfilm Verleih
Produktion: Kinescope Film GmbH, ZDF Das kleine Fernsehspiel;
FSK:12
Förderer:BKM; Nordmedia; FFHSH
DVD EAN-Nummer:4250128420044
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Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Zunächst der Dank der Jury an das Filmteam, sich dieses wichtigen Themas filmisch angenähert zu haben: Missbrauch an Kindern. Eine Familie ist über Jahrzehnte im Netz von Scham und Schweigen gefangen. Öffentlichkeit will man nicht haben, denn auf entsetzliche Weise ist die Täterin die eigene Mutter, die man immer noch auf eine bestimmte Weise liebt und schützen möchte. In der dramaturgischen Klammer zwischen einem Familienfest und einer finalen Zusammenkunft zur Offenbarung aller gemeinsamen Geheimnisse reißt der Film Stück für Stück die Missbrauchsopfer aus der Verschwiegenheit. So wird auch der Vater noch zum Täter, indem er seinen kleinen Sohn Markus zum Mitschuldigen an der Tat seiner Mutter stempelt.

Was für ein ausgefeiltes, hervorragendes Drehbuch von Florian Eichinger liegt diesem Film zugrunde! Sorgfältig recherchiert im Thema und dramaturgisch den Spannungsbogen ohne Action und höchst sensibel stetig nach oben treibend. Dass die Mutter als Täterin nicht an den Pranger gestellt wird, ist eine weitere Stärke des Films.

Die in Luftbildern eingeblendeten Namen von Familienmitglieder dienen nicht als Kapiteleinteilung, sondern als Hinführung auf ein besonderes Augenmerk auf Täter und Opfer im Fortlauf der Handlung. Dies ist eine weitere besondere Qualität des Drehbuchs, das auf sehr sparsame Dialoge setzt und stattdessen vielfach nur Blicke sprechen lässt. Dies gelingt auch auf besondere Weise durch die hervorragende Besetzung und das packende Spiel der Protagonisten. Vor allem Andreas Döhler als Markus und Jessica Schwarz beweisen unter der sicheren Führung von Florian Eichinger ihre schauspielerische Klasse. Zudem gelingt dem Film ein außergewöhnlich gelungener filmischer Kunstgriff: Wie entsetzlich für die Augen der Zuschauer wären die Bilder des Missbrauchs mit einem Kind gewesen. Alle entsprechenden Szenen, selbst die Reflektionen des jungen Markus (zum Beispiel mit dem Vater und in der Schule), jedoch mit dem erwachsenen Markus zu inszenieren, bricht dem Entsetzlichen die Spitze.

Ein Lob trifft auch die Auswahl und das Spiel der verschiedenen Therapeuten und Eheberater und die damit verbundene Ausstattung der Praxen – das Resultat einer perfekten Recherche! Eine sehr gute Kamera und die Arbeit der Montage gehören zu den weiteren handwerklichen Pluspunkten eines unter die Haut gehenden, in allen Belangen gelungenen und eminent wichtigen Filmwerkes.