Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Extrem spannend wird in diesem Kurzfilm eine Geschichte aus der Spätphase der DDR erzählt. Ein sechsjähriger Junge aus Köpenick ist seit Wochen verschwunden. Die Volkspolizei will den Fall unbedingt zum Abschluss bringen, weil er für Unruhe sorgt – und vielleicht sogar darüber in der BRD berichtet werden könnte. So kommt der Spezialist Herr Mahler zum Einsatz, der ein abschließendes Gespräch mit den Eltern des Jungen führt. Und welches Interesse ihn dabei leitet, ob er, wie er selber behauptet, als ein übersinnlich Begabter eine Spur sucht oder die Eltern nur dazu bringen will, den Todesschein für ihren Jungen zu unterschreiben, bleibt lange im Ungewissen. Paul Philip hat hier ein Kammerspiel mit drei Protagonisten inszeniert, bei dem er souverän und sehr unterhaltsam jeweils nur so viele Informationen offenbart, dass das Publikum bis zur letzten Sequenz rätseln kann und muss. Jedes Wort, jede Geste hat eine genau kalkulierte Bedeutung und dabei bleiben die Charaktere immer glaubwürdig sowie ihr Handeln psychologisch plausibel. Die intensive Wirkung des Spielfilms entsteht auch durch die atmosphärisch dichte Inszenierung. Das Haus, in dem die Eltern des verschwundenen Kindes leben, ist muffig, grau und ein wenig heruntergekommen. Die Menschen haben sich kein Heim geschaffen, sondern scheinen eher auf Abruf zu leben. Drehort, Ausstattung, Kostüme und Maskenbild wirken dabei sehr authentisch. Grandios gebaut ist auch der letzte Akt mit der überraschenden Auflösung des Geheimnisses, durch das alles davor Geschehende noch einmal eine ganz neue Bedeutung und die Geschichte ein historisches Gewicht bekommt, denn hier wird von realen Vorkommnissen in der DDR erzählt. So bietet Philipps großes Kino in 29 Minuten, das mit dem Prädikat besonders wertvoll ausgezeichnet wird.