Der rote Teppich
FBW-Pressetext
„Als Künstler bin ich Jäger. Ich will die Schönheit einfangen.“ Es ist der rote Teppich Hollywoods, von dem Axel Brauns träumt. Aber es kann auch Hamburg sein, eine eingeschränkte Öffentlichkeit. Sie ist immer noch eine riesige, fremde Welt für einen Autisten, der „nur Tourist ist“ in unserer Normalität, für den Gefühle und Gesten nicht lesbar sind. „Ein Lehrbuch für Toleranz“, nannte ein Jurymitglied diesen einfühlsamen, sensiblen Dokumentarfilm.Filminfos
Gattung: | Dokumentarfilm |
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Regie: | Andrea Asch; Eric Asch |
Drehbuch: | Andrea Asch; Eric Asch |
Länge: | 92 Minuten |
Produktion: | Instinktfilm, Andrea.& Eric Asch Filmproduktion GbR |
Förderer: | FFF Bayern |
Jury-Begründung
„Als Künstler bin ich Jäger. Ich will die Schönheit einfangen.“ Es ist der rote Teppich Hollywoods, von dem Axel Brauns träumt. Aber es kann auch Hamburg sein, eine eingeschränkte Öffentlichkeit. Sie ist immer noch eine riesige, fremde Welt für einen Autisten, der „nur Tourist ist“ in unserer Normalität, für den Gefühle und Gesten nicht lesbar sind. „Ein Lehrbuch für Toleranz“, nannte ein Jurymitglied diesen einfühlsamen, sensiblen Dokumentarfilm.Axel Brauns ist Autist. Das heißt, dass er sich in der Welt der Menschen nur sehr schwer zurechtfindet, dass ihm ihre Gefühle und Gesten, ihre Reaktionen und Aktionen fremd sind. „Ich bin ein Tourist in dieser Welt“, sagt Brauns an einer Stelle des Films. Spät hat er erst sprechen und damit kommunizieren gelernt. Über diese Erfahrung sagt der heute 44jährige: „Sprechen ist wie auf Stacheldraht kauen.“
Brauns hat über seine Erfahrungen als Autist und über seinen Aufbruch in das fremde Land der Menschen ein erfolgreiches Buch geschrieben, „Buntschatten und Fledermäuse“, aus dem er seine Erfahrungen und Abenteuer im Alltag der Normalität oft zitiert und bei Lesungen daraus gefilmt wird. Axel Brauns beschreitet immer neue Wege, sich in dieser Fremde eine Heimat zu suchen. Film scheint ihm, der von Haus aus Freude an Klängen hat, an ganz unterschiedlichen Tönen, die nichts mit regulärer Musik und Harmonien zu tun haben, das ideale Medium der Selbstverwirklichung und der Verwirklichung seiner Träume vom „roten Teppich“, der direkt nach Hollywood führt, zu sein.
Die Filmemacher beobachten Brauns während der Arbeiten an seinem eigenen Film und halten Brauns’ ständigen Kampf mit seiner Vergangenheit als Autist und seinem Bemühen, in der „anderen“ Welt Fuß zu fassen, fest. Am Ende ist Brauns zufrieden, dass sein roter Teppich ins Leben selbst und nicht unbedingt nach Hollywood führt. Er lernt, dass dieser Weg dann doch noch zu weit für ihn ist, obgleich er schon unendlich viel erreicht hat.
Doch immer noch, und das zeigt „Der rote Teppich“ sehr eindringlich mit sparsamen Bildern, ist er ein Außenseiter, der zwar die Tür seiner Wohnung für Fremde und Freunde öffnet, selbst aber nach wie vor nicht wirklich teilnehmen kann am gesellschaftlichen Leben.
Hier hat der Film seine stärksten Momente, wenn er dokumentiert, dass Brauns nach wie vor sich am sichersten fühlt, wenn er sich an Gegenständen wie Gehwegsplatten oder Stoffen orientieren kann, wenn er seine Welt, in der Emotionen nur sehr zögerlich Einzug halten können, gliedern kann nach vertrauten Geräuschen und vertrauten Alltagsobjekten, die ihm Sicherheit vermitteln. Immer wieder wird gezeigt, wie dieser Mann zwischen den Stühlen sitzt, wie groß die Diskrepanz ist zwischen seinen Visionen, sprich Sehnsüchten, und ihrer Umsetzung. Das wird immer dann auch sehr deutlich, wenn Brauns das sichere Terrain verlässt und als Filmemacher mit einem Team arbeiten muss – dann wird er selbst zum Schauspieler, der mit Menschen umgeht wie jemand, der mühsam eine Rolle einstudiert hat.
Die bemerkenswert gute Kamera findet immer wieder neue Blickwinkel auf diese tastenden Versuche, eine neue Identität zu finden, was aber letztlich nur im Verlust der eigenen, wahren Identität enden kann. Und darin liegt die Tragödie dieses Menschen, über dessen Seele dieser Film mit behutsamer und vielschichtiger Genauigkeit wie auf einer Reise zu unbekannten Ufern Auskunft gibt und dennoch am Ende mehr Fragen als Antworten übrig lässt.