Der Mann der über Autos sprang
FBW-Pressetext
Julian (Robert Stadlober) flüchtet aus der psychiatrischen Anstalt, in die er eingewiesen wurde, nachdem er einen für seinen Freund tödlichen Autounfall provozierte. Damals wollte er beweisen, dass er über Autos springen kann, heute will Julian beweisen, dass er durch einen Marsch von Berlin nach Stuttgart genug Energien freisetzen kann, um dem schwer kranken Vater seines toten Freundes zu heilen. Auf der Reise per pedes begegnet ihm nicht nur die Liebe in Gestalt der Ärztin Ju (ausdrucksstark: Jessica Schwarz), sondern auch andere lebensüberdrüssige Menschen, deren Herz Julian durch seine sanfte und doch eindringliche Art zu berühren weiß. So, wie sich Julian seinen individuellen Weg abseits der Konventionen sucht, findet auch der Film neue Mittel, seine Erzählung zu präsentieren: Es verschwimmen zunehmend die realistischen und surrealen Momente zu einer amüsanten und anrührenden Märchenparabel, die in schönen Bildern und gekonnt inszenierten Dialogszenen auch viele gesellschaftskritische Aspekte über das Hier und Jetzt vermittelt. Ein packender Selbsterfahrungstrip mit mystischem Idealismus, leisem Humor und großartigen Schauspielern, die ihren Rollen Charakter und Präsenz verleihen.Filminfos
Gattung: | Spielfilm; Roadmovie |
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Regie: | Nick Baker-Monteys |
Darsteller: | Jessica Schwarz; Robert Stadlober; Martin Feifel; Anna Schudt; Robert Schupp; Mark Waschke; Irene Rindje; Justus Carrière; Simon Licht |
Drehbuch: | Nick Baker Monteys |
Kamera: | Eeva Fleig |
Schnitt: | Dagmar Lichius |
Musik: | Fabian Römer |
Länge: | 112 Minuten |
Kinostart: | 09.06.2011 |
Verleih: | Arsenal Filmverleih |
Produktion: | ophir film GmbH, film- und fernsehproduktion, Burkertbareiss Development; |
FSK: | 6 |
Förderer: | MFG Baden-Württemberg; MBB; FFF Bayern; DFFF |
Jury-Begründung
Werner Herzog wanderte einst von München nach Paris, weil er dadurch der sterbenskranken Filmhistorikerin Lotte Eisner Lebenskraft geben wollte. Julian, der Protagonist dieses Filmes, macht einen ähnlichen Fußmarsch durch Deutschland, um zu verhindern, dass der Vater eines Freundes an einem Herzinfarkt stirbt. So wie er an die Allmacht des Geistes glaubt, ist auch dieser Film nicht ganz von dieser Welt.Durch kleingeistige Plausibilitäten wie jene, dass es bei der Arbeitsüberlastung der deutschen Polizei völlig utopisch wäre, wenn ein Kripobeamter wochenlang hinter einem aus einer Anstalt Ausgebrochenen herfahren würde, lässt sich Regisseur Nick Baker Monteys nicht in seiner Fantasie beschränken. Sein Film ist voller seltsamer Begegnungen und Geschehnisse, die einer eher märchenhaften Logik folgen. So scheint Julian magische Kräfte zu haben, die auf jene, die ihm begegnen eine magnetische Wirkung haben. Während er seiner mythisch, spirituellen Mission folgt, sind seine Gefährten ganz im Hier und Jetzt des Lebens in der Bundesrepublik verhaftet. Die Assistenzärztin, die mit den psychischen Belastungen ihres Berufs nicht fertig wird, die von Mann und Kindern schlecht behandelte Ehefrau und der cholerische und selbstzerstörerische Polizist – sie alle folgen Julian bei seiner Reise und verändern sich dabei. Die Diskrepanz zwischen ihren alltäglichen und psychologisch gut motivierten Konflikten und Julians viel umfassenderer Vision erzeugt eine Reibung, die oft zu einer wunderbaren Situationskomik führt, aber auch überraschende dramaturgische Wendungen ermöglicht.
Geschickt wird auch immer wieder mit dem Gegensatz zwischen Julian und den Automobilen gearbeitet. Seine drei Jünger verlassen für ihn ihre Autos, er selber fährt keinen Meter, nutzt aber durchaus den Mercedes von Jan, um sich darin aufzuwärmen. Schließlich kommt es zum alles entscheidenden Sprung, durch den sich letztlich nichts Geringeres entscheidet als die Frage, ob der Geist die Materie beherrschen kann.
Monteys erzählt hier eine ungewöhnliche und originelle Geschichte, in deren Zentrum das Geheimnis um Julian liegt. Kann er Wunder wirken oder ist er ein Psychotiker? Robert Stadlober verkörpert diese Figur sehr intensiv und überzeugend, indem er ihm ein Strahlen gibt, das immer ambivalent schillert. Monteys ist es gelungen, die „yellow brick road“ aus DER ZAUBERER VON OZ (in dem es auch drei Gefährten gibt, die glauben, jeweils kein Herz, keinen Mut und kein Hirn zu haben) nach Deutschland zu verpflanzen.