Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Es sind Daten aus der deutschen Nachkriegsgeschichte, die manchem nicht mehr so konkret geläufig sind: 1953, 1967, 1989. Das waren der Volksaufstand am 17. Juni, die Proteste gegen den Schah-Besuch in Berlin am 2. Juni vor der Deutschen Oper und die Demonstration auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989, kurz vor dem Fall der Mauer. Diese drei historisch wichtigen Orte, die auch zum Symbol für den Kampf für Demokratie und Meinungsfreiheit in Deutschland geworden sind, bilden den Schauplatz der Untersuchung über „Democratic Locations“ gestern und heute. Was ist von diesen Ereignissen geblieben? Wie sehen diese Schauplätze heute aus? Zu Ton-Collagen von den jeweiligen Zusammenkünften sehen wir Bilder der Plätze heute – Touristen, Menschen in der Sonne, Autos, Bauwerke. Eine direkte Brücke zu den Geschehnissen aus jenen Jahren scheint es keine mehr zu geben. Und bei den Aufnahmen vom Zentrum der deutschen Demokratie, dem Kanzleramt, rauscht nur ein Springbrunnen, blökt ein Schaf und überrascht die Stille. Besonders auffallend und erwähnenswert sind in diesem kleinen Experimentalfilm über ein großes Thema die gelungene Montage von Bild und Ton, wobei es durchaus mehr Tondokumentation hätte geben können, und die „suchende“ Kamera, die sich vorsichtig an die Schauplätze herantastet. So schälen sich langsam aus den zunächst schwarz-weißen Bildern Konturen und Figuren heraus, die immer mehr an Farbe gewinnen. Am Ende ist aus dem Schwarz-Weiß-Film dann ein Farbdokument über die Öde vor dem Kanzleramt geworden. In jedem Betrachter wird dieser Film andere Assoziationen auslösen, und gerne würde man mehr von diesen Schauplätzen der Geburt und auch der Stagnation unserer westlichen, deutschen Demokratie erfahren.