Das Herz von Jenin

Kinostart: 07.05.09
2008
Filmplakat: Das Herz von Jenin

FBW-Pressetext

Beeindruckend und zutiefst bewegend: Als sein Sohn wegen einer Plastikwaffe vom israelischen Militär tödlich verletzt wird, trifft der Palästinenser Ismael Khatib eine mutige Entscheidung und gibt die Organe seines Kindes zur Spende im israelischen Krankenhaus frei. Später macht er sich auf, um die jungen Empfänger – ein Drusenmädchen, einen Beduinenjungen und die Tochter von orthodoxen Juden – aufzusuchen und scheut auf seinem Weg der Versöhnung auch nicht vor konfliktreichen Begegnungen zurück. Von Anfang an begleiteten der deutsche Regisseur und sein israelischer Kollege diese außergewöhnliche Geschichte und bilden damit gleichzeitig einen Querschnitt verschiedener Lebenswirklichkeiten im Krisengebiet zwischen Militärpräsenz und kulturellen Vorurteilen ab. Ein bewundernswertes, humanes und politisch hochaktuelles Plädoyer, das seine Wirkung nicht verfehlt! Absolut sehenswert.

Filminfos

Kategorie:Arthouse
Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Leon Geller; Marcus Vetter
Drehbuch:Leon Geller; Marcus Vetter
Länge:94 Minuten
Kinostart:07.05.2009
Verleih:Arsenal Filmverleih
Produktion: EikonSüdwest GmbH Silvana Santamaria, SWR
FSK:12
Förderer:MFG Baden-Württemberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Was für eine unglaubliche Geschichte: Der Vater des zwölfjährigen Palästinenserjungen Ahmed, der von einem israelischen Soldaten erschossen wurde, gibt seine Zustimmung dazu, dass die Organe seines Sohns anderen Kindern in Israel verpflanzt werden. Im ersten Akt des Films steht das schiere, herzzerreißende Drama im Vordergrund und es gelingt den beiden Filmemachern, dieses packend und berührend zu erzählen. Nicht nur an der manchmal etwas aufdringlichen Filmmusik merkt man, dass sie hier auf der großen Tastatur des Gefühlskinos spielen und den Vater Ismael Khadib als den „guten Menschen von Jenin“ porträtieren.

Doch sowohl der Protagonist wie auch der Film bekommen dann eine ganz andere Komplexität und analytische Schärfe, wenn sich die Aufregung gelegt hat und gezeigt wird, wie Ismael später versucht, die Kinder, in denen ein Teil von seinem Sohn weiterlebt, zu besuchen. Die schroffe Behandlung seiner Familie an einem Grenzposten, durch den sie zu einer Gedenkfeier in Israel reisen wollen, macht die beklemmende Atmosphäre spürbar, unter der die Palästinenser in ihrem besetzten Land leben. Wenn Ismael erzählt, dass er seine Tat auch als einen Akt des politischen Widerstands versteht („Glaubst du, die Israelis haben das gerne gesehen?“) zeigt sich, wie vielschichtig seine Persönlichkeit ist. Dieser Mann ist ein Glückfall für die beiden Dokumentarfilmer: er hat eine beeindruckende Präsenz vor der Kamera, ist eloquent und bildet den Mittelpunkt einer Geschichte, die ihn in ganz unterschiedliche Milieus Israels führt. Wenn er nach zwei Jahren das Drusenmädchen, den Beduinenjungen und die Tochter eines orthodoxen Juden besucht, die durch Ahmeds Organe gesund wurden, erlebt er dabei außergewöhnliche Situationen und Begegnungen, bei denen man nie das Gefühl hat, sie würden für die Kamera inszeniert.

Der Film beinhaltet so unterschiedliche Sequenzen wie das ausgelassene Bad im Toten Meer, die Ausgabe von Schultaschen in einem Jugendzentrum und die Montage des Videos eines Selbstmordattentäters gekoppelt mit den Aufnahmen seiner Opfer. Alle Szenen sind mit einem genauen Blick aufs Detail und einem sicheren Gespür für die Wirkung des Gezeigten inszeniert. So reißen auch die extremen Kontraste den Film nie auseinander. Statt dessen spürt man bei aller Kunstfertigkeit die Dringlichkeit, mit der die Regisseure diese Geschichte erzählen wollen. Und weil sie so nah an den Personen bleiben, gelingen ihnen auch solche außergewöhnlichen Sequenzen wie der Besuch von Ismael bei dem orthodoxen Juden, der sich hilflos in absurde Floskeln flüchtet („Warum geht er nicht in die Türkei?“), während Ismael mit einer zögerlich zärtlichen Bewegung die Hand des kleinen Mädchen streichelt, das die Niere seines Sohnes in sich trägt.

Ein großer Film über eine große Geschichte, die sich mit den Kindern und Ismael immer weiter entwickeln wird. Selten gab es eine bessere Gelegenheit für eine Langzeitbeobachtung nach dem Modell der Kinder von Golzow.