Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Es könnte die Adaption einer Kurzgeschichte von Scott Fitzgerald sein. Ein amerikanisches Ehepaar, sie Tänzerin und er Schriftsteller, durchleben eine tiefe Krise sowohl in ihrer Beziehung wie auch in ihren Karrieren. Und dies tun sie in der malerischen Idylle der südfranzösischen Mittelmeerküste in den 70er Jahren. Sie ist durch ein lange unerklärt bleibendes Trauma in eine tiefe Depression gefallen und kann oder will nicht mehr auftreten. Er hat sich nie vom großen Erfolg seines ersten Romans erholt und statt zu schreiben, trinkt er. Die Beziehung der beiden ist nicht unbedingt lieblos, aber leblos. Während sie das Hotelzimmer kaum verlässt und einen halbherzigen Versuch macht, sich zu ertränken, sitzt er den Tag lang in der Bar des Küstenortes und freundet sich mit deren Besitzer an. Ein junges, glückliches Paar im Nebenzimmer weckt ihre Aufmerksamkeit. In ihnen sehen sie sich selber in glücklicheren Tagen gespiegelt und durch ein Loch in der Wand werden sie so zu Voyeuren dessen, was sie selber verloren haben. Angelina Jolie-Pitt traut sich hier, eine Geschichte zu erzählen, in der kaum etwas passiert. Denn das Drama dieser Ehe ist, dass alles in ihr schon gesagt und getan zu sein scheint. Die beiden kennen einander genau, und dies zeigen die beiden Darsteller dadurch, dass sie durch kleine Gesten und wenig Worte miteinander kommunizieren, die ein Außenstehender kaum entziffern kann. Und es mag ihnen als einem „alten“ Ehepaar leichter fallen, diese Vertrautheit vor der Kamera auszudrücken. Angelina Jolie-Pitt weiß genau, was Brad Pitt kann und sie weiß ebenso gut, wie sie selber vor der Kamera wirkt. Deshalb kann sie souverän und völlig uneitel diese mondäne Diva spielen. Sie zeigt, wie diese Frau von ihrer eigenen Schönheit angewidert ist und wie selbstzerstörerisch sie ihren Sexappeal einsetzt. Sie und Pitt demontieren hier subtil das Bild, das sich die Öffentlichkeit von „Brangelina“ macht, ohne sich dabei die Blöße einer möglichen autobiografischen Lesart zu geben. Und BY THE SEA ist sehr kunstvoll und stimmig inszeniert. Der Kameramann Christian Berger kann, wie schon in DAS WEIßE BAND, Landschaften und Räume ebenso dramatisch wirken lassen wie die Gesichter der Darsteller. Der kleine südfranzösische Küstenort wurde auf Malta nachgebaut und ist mit seiner leicht heruntergekommenen Eleganz die perfekte Kulisse für die hochstilisierte Tristesse dieses Dramas, dessen Schwermut so äußerst verführerisch wirken kann.