Briefe eines Toten

Kurzbeschreibung

Ein Computerfehler hat die atomare Katastrophe ausgelöst. Nur wenige Menschen haben überlebt. Während er seine todkranke Frau pflegt, versucht der Kybernetiker Larsen, in einer Museumshalle in Briefen an seinen verschollenen Sohn das unfaßbare Geschehen zu reflektieren.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm
Regie:Konstantin Lopuschanskij
Länge:87 Minuten
Produktion:

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der bereits mehrfach ausgezeichnete Film ist ein beeindruckender Beweis dafür, daß die Diskussion über die existentiellen Fragen nach der Bedrohung des Friedens, der Umwelt und nach der Zukunft der Menschheit in der Sowjetunion mit gleicher Intensität geführt wird wie im Westen.

Der Film beschreibt eine Situation, die durch eine militärische Katastrophe herbeigeführt wird, die zudem noch auf einem Computerfehler beruht. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe von Wissenschaftlern, die sich in den Keller eines Museums gerettet haben, einen Ort der Bewahrung einer jahrtausendalten kulturellen Tradition. Eine minimale Handlung beschreibt die Versuche der Menschen, sich unter den extremen Bedingungen zurechtzufinden, einzelne Kontakte nach draußen und von draußen, die ein Bild der grausam zerstörten Umwelt vermitteln, und den Eingriff der Staatsgewalt in Form von Kontrollen und Selektionen. Sympathisch berührt das Verhalten der Menschen, die nicht einen Kampf aller gegen alle führen, sondernn selbst in der äußersten Not sich noch bemühen, menschliche Würde zu wahren und liebevoll mit ihren Nächsten umgehen. Im Kontrast hierzu steht das Auftreten eines Arztes, dem es als Funktionärstyp nur um die Durchführung von Vorschriften geht. Der Ort des Unglücks muß nicht unbedingt in der Sowjetunion liegen. Lateinische Schriftzeichen und kirchliche Riten könnten auch auf ein westliches Land verweisen, aber die hier zur Sprache kommenden menschlichen Probleme und Werte haben dieselbe Bedeutung in der Sowjetunion. Ein verhaltener Optimismus deutet sich darauch an, daß allmählich klar wird, es handele sich nicht um eine weltweite, sonder bestenfalls um eine regionale Katstrophe und dadurch, daß eine Gruppe von Kindern am Ende des Films den Aufbruch in ein neues, wenn auch noch so schwieriges und fragwürdiges Leben wagt.

Überzeugend ist die Auswahl der Schauspieler und ihre darstellerische Leistung, die nicht darauf zielt, einzelne individuelle Schicksale zu verkörpern, sondern darauf, typische menschliche Verhaltensformen zu veranschaulichen. Hier gibt es keine Heilsgewißheiten mehr, sondern Nachdenklichkeit und Resignation un Anbetracht des unausrottbaren menschlichen Fortschrittstrebens, das schließlich zur Katastrophe geführt hat. Es gibt aber auch die Besinnung auf die Qualitäten, die nur dem Menschen eigen sind, seine Fähigkeit zu denken, Fantasie zu entwickeln, Mitleid mit anderen Menschen und vor allem Liebe zu empfinden, die als die wahre Quelle aller Kunst und Kultur empfunden wird. Es ist sicherlich ein Verdienst der Inszenierung, daß so große, menschheitsbewegende Fragen in den Dialogen nie als peinlich und aufgesetzt empfunden werden.

Dieselbe Verhaltenheit zeigt auch die Kamera, die frei ist von jeglichem Pathos, eine zumeist Schwarz-Weiß-Fotografie, die in der Kopie in einigen wenigen durchgehenden Farben, braun, blau, grau getönt ist und als einzige wirklich Farbe das Rot des Feuers zeigt: in seiner Zerstörungsgewalt draußen, in seiner wärmenden Kraft bei den eingeschlossenen drinnen. Die Geräusche werden hauptsächlich benutzt, um den Wahnsinn der Zerstörung den Zuschauern auch dann präsent zu machen, wenn die Kamera sich bei den relativ geschützten Menschen im Keller befindet. Die Musik hält sich sehr zurück und wird nur in wenigen Sequenzen spürbar, so z.B. wenn ein alter Mann mit einer Gruppe von Kindern unter einem selbstgebastelten Baum Weihnachten zu feiern versucht.

Es ist ein über weite Strecken bedrückender Film, der jedoch das Nachdenken nicht verhindert, sondern eher dazu anregt und sogar ein kleinwenig Mut macht.