Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Für sein grandioses Finale musste der Filmemacher leiden. Ginger Baker zerschlug dem Regisseur Jay Bulger am letzten Drehtag das Nasenbein. Bei diesem Körpereinsatz kann man verstehen, warum er mit eben jenen Aufnahmen sowohl beginnt wie auch endet – denn hier blitzt etwas von der Wut auf, die Ginger Baker sein Leben lang beherrschte. Man kann sie auch in seiner Musik erkennen. Ginger Baker war immer ein brachialer Drummer. Dass dieses Temperament zugleich seine Musik und dadurch seinen Erfolg möglich machte, sich aber katastrophal auf seine sozialen Kontakte und seine Karriere auswirkte, wird schon sehr früh im Film deutlich. Nach seinen Erfahrungen als kleiner Junge in den englischen Bombernächten des Zweiten Weltkriegs befragt, antwortet Baker, er habe immer „Explosionen geliebt“. Er hat dann in seinem Leben auch für genügend Explosionen gesorgt, selbstzerstörerischer Überlebenskünstler. Für diesen Widerspruch hat Bulger ein sehr stimmiges Bild gefunden. In Zeichentricksequenzen zeigt er eine Weltkarte, auf der sich immer dann in einem Land ein großes Feuer ausbreitet, wenn Ginger Baker dort wieder einmal eine seiner vielen Karrieren zerstört hat. Nach dem Prinzip „verbrannte Erde“ sieht man ihn dann in eine andere Ecke der Weltkugel ziehen, wo es bald erneut zu brennen beginnt. Meist arbeitet Bulger jedoch eher konventionell mit Archivmaterial und den Aussagen von Bakers ehemaligen Musikerkollegen, Exfrauen, Kindern und anderen Zeitzeugen. Und hier schöpft er aus einem immensen Reichtum. Es gibt Aufnahmen von allen Formationen, in denen Baker gespielt hat, beginnend mit den Bluesbands in London und endend mit kurzen Ausschnitten von einem Konzert in Salzburg vor wenigen Jahren. Und natürlich als musikalischer und kommerzieller Höhepunkt die Auftritte von Cream. Eric Clapton und Jack Bruce zählen dann auch neben Stevie Winwood, Charlie Watts, Steward Copeland und Carlos Santana zu den Kollegen, die über ihr Zusammenspiel mit Baker oder dssen Einfluss auf ihre Musik erzählen. Und viele Zeitzeugen, darunter seine Exfrauen und einige seiner Kinder, reden von seiner dunklen Seite. Er selber „residiert“ meist für den Regisseur in seinem dicken Ledersessel und versucht, am eigenen Mythos zu basteln, indem er nach all den Jahren noch die Kollegen heruntermacht und seine musikalische Überlegenheit hervorhebt. All das mit einem rasanten Rhythmus geschnitten – auch auf dieser Ebene wird der Film Ginger Baker mehr als gerecht.