AlieNation
FBW-Pressetext
Als Jugendlicher fühlt man sich häufig nicht wie von dieser Welt. Irgendwo zwischen Kind- und Erwachsensein ist man ganz isoliert, gehört nicht richtig dazu. Hinzu kommen diese komischen Stimmungsschwankungen, diese blöden Pickel, diese Gefühle, die man nicht richtig einordnen kann. Man denkt ständig, auf andere abstoßend und fremd zu wirken. Wie ein Alien halt. In ihrem sechsminütigen Film behandelt Laura Lehmus nicht nur diese Themen, in dem sie Jugendliche selbst zu Wort kommen lässt. Passenderweise übersetzt sie die äußerst klugen und reflektierenden Aussagen auch in Animationen, die ganz zum Thema des Films passen. Skurril gestaltete Aliens mit diversen Gesichts- und Charakterzügen verkörpern die Interviewten und ihre eigene Sicht auf sich selbst. Mit ALIENATION ist Laura Lehmus ein Film gelungen, der mit all seinen knackigen Ideen die Gefühls- und Lebenslage der Jugendlichen genau auf den Punkt bringt. Besser kann man diese spezielle Lebensphase nicht beschreiben. Ein filmischer Volltreffer!Filminfos
Gattung: | Animationsfilm; Kurzfilm |
---|---|
Regie: | Laura Lehmus |
Drehbuch: | Laura Lehmus |
Schnitt: | Dirk Böll |
Länge: | 6 Minuten |
Verleih: | interfilm Berlin Short Film Sales & Distribution |
Produktion: | Laura Lehmus |
Förderer: | MBB |
Jury-Begründung
Wir folgen lose miteinander verzahnter Interviews mit Jugendlichen. Jeder für sich spricht direkt und offen über das Erleben seiner Pubertät. Üblicherweise nimmt einen diese Lebensphase derart in Beschlag, dass man kaum eine Chance hat, die nötige Distanz zu finden, um über sich selbst zu sprechen. Zugleich kann die Distanz, die man sich selbst gegenüber und gegenüber anderen Lebewesen empfindet, in dieser Phase nicht größer sein.Für dieses widersprüchliche Grundgefühl findet die Filmemacherin Laura Lehmus eine stilistische Entsprechung. Die authentischen Interviews auf der Tonebene werden im Bild nicht von den dazu gehörigen realen Jugendlichen wiedergegeben, sondern von animierten Fremdwesen - Aliens – sie sind scheinbar nicht von dieser Welt, sind aber dennoch ausnahmslos von allzu irdischer Pubertät befallen.
Abgesehen von der Wirkung der geäußerten Statements an sich und deren Orchestrierung innerhalb der fesselnden sechs Minuten, stellt sich durch diesen visuellen Kniff ein tiefgreifender Effekt beim Zuschauer ein. Die Losgelöstheit des gesprochenen Textes vom jeweiligen authentischen Gesicht lässt uns mehr auf den Inhalt des Gesagten achten. Wir verschmelzen Äußeres und Geäußertes nicht wie sonst umgehend miteinander im Kopf. Der Zuschauer hat nicht mehr Zeit zum Erfassen des Inhalts als bei gängig abgefilmten Interviews. Aber in diesem Fall lassen sich die Aussagen der Jugendlichen quasi wie durch drei voneinander getrennte Kanäle gleichzeitig wahrnehmen: Neben 1.) dem Gesprochenen und dessen Inhalt machen wir uns 2.) ein Bild von der realen Person in unserer Vorstellung und bekommen dazu 3.) noch ein „Alien“ angeboten, der das Fremdsein im eigenen Körper bestens illustriert. Ganz bestimmt hat hier die jeweilige reale Person für die Animation Pate gestanden, so dass Text und Bild wiederum eine famose Einheit bilden.
Mögliches Fremdschämen beim Betrachter kommt hier erst gar nicht auf, die animierten Aliens sind Distanzbarrieren, die Spaß machen und zugleich die Aufmerksamkeit des Rezipienten fokussieren, und zwar in verblüffender Weise auf die jeweils interviewte Original-Person.
Die Jury mutmaßt, dass sich dieser Effekt auch und besonders beim pubertierenden Publikum und dessen Eltern einstellt. Distanz bewahren hieße dann auch Haltung bewahren; die Sinne sind befreit von unnötiger Scham. Man kann umso intensiver teilhaben, auch falls man selbst mitten im geschilderten Schlamassel steckt.
Form und Inhalt gehen in diesem kurzweiligen und zugleich intensiven Werk eine wunderbare Synthese ein, wobei die animierten „Aliens“ sehr vielfältig und detailfreudig gestaltet sind. Sie passen sehr gut zu den Aussagen der Jugendlichen und den dazugehörigen Stimmlagen. Überhaupt besticht die Auswahl der Statements durch ihre Vielschichtigkeit. Bezogen auf den schrägsten aller Lebensabschnitte erfahren wir entwaffnend Profanes, Mitteilsames und Aufschlussreiches, bis hin zur anklingenden (Selbst)-Analyse. Dieser ganze Reigen wurde in eine knackige und stimmige Anordnung gebracht. Erstaunlich, was man in dieser kurzen Zeit alles erfährt, erstaunlich auch, wie viel Platz für eigene Bilder im Kopf sich dabei auftut.