Wenn man liebt

Filmplakat: Wenn man liebt

FBW-Pressetext

Peri ist eine junge Hausfrau und Mutter, die mit Mann und Tochter in Berlin lebt. Doch Peri ist auch Türkin und streng gläubig. Und so verhüllt sie sich mit einer Niqab, wenn sie das Haus verlässt und ist ihrem Mann gegenüber still und demütig. Als ihr Mann ihr eines Abends eröffnet, dass er in der Türkei ein Haus gekauft habe und sie alle wegziehen würden, lässt sie sich nichts anmerken. Doch es gibt da jemanden, dem sie diese Nachricht noch persönlich mitteilen muss. Auch wenn es ihr das Herz bricht. In ihrem Film WENN MAN LIEBT greift die Nachwuchsfilmemacherin Süheyla Schwenk ein brisantes und hochaktuelles Thema auf. Doch dank ihrer großartigen Darstellerin Tanya Erartsin, der sehr ruhigen Kamera und einer subtilen, unaufgeregten Erzählweise gelingt es Schwenk, das Thema dem Zuschauer auch emotional näher zu bringen. Denn der Film zeigt den Konflikt einer jungen Frau zwischen ihrem Glauben, in dem sie fest verankert ist und dem Aufbegehren gegen die Stäbe eines Käfigs, aus dem sie auch inmitten einer großen Metropole nie entfliehen kann. Ein kraftvoller und aufwühlender Kurzspielfilm, der interessante und wichtige Fragen in den Raum wirft.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kurzfilm; Fiktion
Regie:Süheyla Schwenk
Darsteller:Tanya Erartsin; Sascha Ö. Soydan; Ali Ekber
Drehbuch:Süheyla Schwenk
Kamera:Florian Wurzer
Schnitt:Süheyla Schwenk
Musik:Huzur Cicek
Länge:30 Minuten
Verleih:DFFB
Produktion: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH (DFFB)
Förderer:dffb

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Eine Frau betritt eine Wohnung, setzt ihr Baby ab, zieht die Niqab aus, dann auch noch ihre Bluse und kleidet sich neu ein. Mit Nachdruck macht SEVINCE seine Zuschauer mit Peri bekannt. Peri ist Türkin. In der Wohnung trägt sie westliche Kleidung, draußen Vollverschleierung.
Burkas und Niqabs sind hierzulande selten zu sehen. Vielleicht erregen sie auch deswegen heftigen Anstoß im öffentlichen Raum. Was vergessen wird: unter dem Schleier verbirgt sich ein Mensch, ein Individuum, eine Frau mit eigenen Ideen und Wünschen und einer eigenen Identität. SEVINCE erzählt von Peri, die mit Mann und Kind in einer deutschen Stadt wohnt. In nur wenigen, beklemmenden Sequenzen lässt der Film seine Zuschauer vom ersten Moment an teilhaben an dem, was Peris Leben auszumachen scheint. Kind und Haushalt, Einkaufen und Warten auf den Ehemann. Früh ist zu spüren, dass Peri mit diesem Schicksal nicht glücklich ist, ihr Geheimnis offenbart SEVINCE aber erst spät.
Bemerkenswert: die unaufdringliche Kamera. In schlichten, klaren Bildern lässt SEVINCE das Publikum teilhaben an Peris eingeschränktem Leben, lässt ihm darüber hinaus aber immer auch genügend Spielraum für eigene Betrachtungen und Gedankenspiele. Die Gestaltung der Wohnung, Peris liebevoller Umgang mit Wäschestücken, während ihr Mann neben ihr pinkelt. In der Diskussion zeigte sich, das Regisseurin Süheyla Schwenk mit so viel Frische und Kraft inszeniert, so dass der Jury viele Szenen geradezu minutiös in Erinnerung geblieben sind. Entsprechend lobenswert empfand die Jury auch Schnitt und Ton, die erheblich zur Authentizität und Kraft der Bilder beitragen.
SEVINCE vermeidet Klischees. Die Darsteller greifen nicht auf die Gut-und-Böse-Schublade zurück. Während Peri im offensichtlich patriarchalen Familiengefüge eher verschlossen wirkt, erweist sich Peris Mann geradezu als kindlich naiv und liebevoll, als er ihr von Hauskauf und Umzug in die Türkei erzählt. Keine theatralen Dialoge, keine emotionalen Ausbrüche, die die Zuschauer ablenken oder ermüden. Bild, Ton, Dramaturgie, Schauspiel und auch Schauspielführung ergänzen sich in SEVINCE in idealer Weise.
Was Peri tatsächlich bewegt, erfahren die Zuschauer erst, als die Protagonistin zu ihrer augenscheinlich weniger religiös lebenden Freundin fährt. Dort kann sich Peri erstmals befreit und lebendig zeigen und letztlich sogar leidenschaftlich. Ein großartiger Moment, das erste und einzige Mal in 30 Minuten Laufzeit, in dem Peri ihre verblüffenden, wahren Gefühle preisgibt, ihr Geheimnis lüftet und dann doch einen Rückzieher macht. Fraglos der Höhepunkt dieses Films. Aber die Jury zeigte sich auch erfreut, dass Regisseurin Süheyla Schwenk bei diesem Treffen nicht nur Peris Träume widerspiegelt, sondern auch die Realität, bzw. eine Mahnung an religiöse Traditionen, in Gestalt der Schwiegermutter der Freundin. Die sitzt anfangs noch dem Treffen mit Peris Freundin bei und erscheint, in aller Zurückhaltung, wie ein dunkler Verweis auf Peris freudlose Zukunft.
Regisseurin Süheyla Schwenks Timing ist äußerst präzise. Die Jury fühlte sich stets dicht am Geschehen, nie hat sie Längen oder Redundanzen bemängeln können. SEVINCE zeichnet das äußerst gelungene Bild einer Frau, die zwischen Tradition und Moderne gefangen ist. Ein unkonventioneller Film voller Kraft und Mut, genauso poetisch wie erdenschwer – perfekt vom Anfang bis hin zum äußerst gelungenen Ende.